Das Großprojekt Stuttgart 21 sieht vor, dass die Deutsche Bahn AG ihre Gleisfelder für eine städtebauliche Entwicklung freimacht – das betrifft auch den Gleisbogen. Doch sein Abriss ist großteils noch nicht beschlossen. Das birgt die Chance, über diese bisher verkannte Anlage einen öffentlichen Dialog anzuregen.
Der Stuttgarter Gleisbogen entstand zwischen 1908-1914 im Zuge des Baus des damals neuen Stuttgarter Hauptbahnhofs von P. Bonatz und F.E. Scholer (Eröffnung des 1. Abschnitts 1922, Fertigstellung 1928). Die Firma Wayss & Freytag AG baute die Anlagen des Gleisbogens im Auftrag der Königlichen Württembergischen Staats-Eisenbahnen nach Plänen des Bauingenieurs Karl Schächterle.
Der Stuttgarter Gleisbogen ist ein herausragendes landschaftliches und bauliches Zeugnis der Industrie- und Eisenbahngeschichte, dessen identitätsstiftendes Potential für den Stuttgarter Norden nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Als Sachgesamtheit steht der Stuttgarter Gleisbogen unter Denkmalschutz, seine Bauwerke und Eisenbahnanlagen gelten als technische Kulturdenkmale im Sinne des §2 des Denkmalschutzgesetzes Baden-Württemberg. Zu dieser gehören auch die Gleisstrecken in Richtung Bad Cannstatt mit der historischen Neckarbrücke (Rosensteinbrücke)
Der Name „Stuttgarter Gleisbogen“ geht zurück auf die gleichnamige Wanderausstellung, die der Info-Laden Rosenstein „Auf der Prag“ e.V.* im Jahr 2012 initiierte. Er bezeichnet jene Bahnanlagen im Vorfeld des Hauptbahnhofs, die auf einer Fläche von rund 18 Hektar und einer Länge von knapp 3 Kilometern das Nordbahnhofviertel („Eisenbahnerdörfle“) im weiten Bogen umfahren. Im Gleisbogen vereinen sich die Gäubahntrasse (stadteinwärts ab der Heilbronner Straße), die Trassen von Feuerbach (im Abschnitt ab dem Nordbahnhof) und, im südlichen Abschnitt am Unteren Schlossgarten, die Trassen von Bad Cannstatt.
Die gesamte Anlage des Gleisbogens dient dazu, in der bewegten Stuttgarter Topografie die zahlreichen Zulaufstrecken weitgehend kreuzungsfrei in den Kopfbahnhof zu lenken.
Eingebettet in eine einzigartige künstliche Landschaft aus Dämmen, Schluchten und Tunneln liegen mehrere Brückenbauwerke, darunter die beiden großen Kreuzungsbauwerke: das nördliche und das südliche Überwerfungsbauwerk. Mit einer Länge von etwa 600 Metern, einer Breite von 100 Metern und einer Höhe von 12 Metern stellt dabei das südliche Überwerfungsbauwerk den markantesten Abschnitt des Gleisbogens dar. An der engsten Stelle des Gleisfächers gelegen, bündelt es 19 Gleisstränge aus drei Richtungen.
*Bis 2016: Info-Laden Stuttgart 21 „Auf der Prag“ e.V.